In Deutschland ist der Baufortschritt dem unseren hinten nach – das betone ich immer wieder gerne. Hier wieder ein Beispiel: In Deutschland gilt Kondenswasser auf den Glasscheiben als „Gerichtsbeweis“, da drehen die Bausachverständigen am Stand um und gehen autmomatisch von einem Nutzerverschulden aus. Grundsätzlich ist das auch nicht ganz von der Hand zu weisen. In den meisten Fällen ist dies tatsächlich ein Indikator für zu hohe relative Luftfeuchtigkeiten, für eine zu geringe Beheizung. Aber es gibt auch Ausnahmen, was wenn die Glasscheibe kaputt ist?
Dies ist vielleicht der spektakulärste Fall von Kondenswasser auf Fensterglasscheiben. Hier kämpfen rund 50 von 100 Parteien mit westseitigem Tauwasseranfall an den Glasscheiben. Teilweise steht das Wasser bis über die Hälfte der Glasscheibe, von unten beginnend. Die Hausverwaltung hat bereits in einigen Wohnungen das Raumklima gemessen, Langzeitprotokolle liegen vor, zwar liegt die relative Luftfeuchtigkeit bei 50-60%, also im oberen Bereich, aber das alleine ist noch keine Begründung für diesen massiven Tauwasseranfall. Lt. Angaben lüften und heizen alle ausreichend, auch meine Messungen zeigen keine Abnormalitäten. Im Laufe der Gespräche stellt sich heraus daß während der Bauphase extrem viele Wasserschäden Bestand waren. Es wurde im Winter gebaut, der Estrich vermutlich zu früh belegt, bzw. ist dieser nachträglich nass geworden usw. Teilweise soll aus dem Beton beim Anbohren Wasser ausgetreten sein ? Da vermute ich mal eingeschlossene Feuchte im Estrich welche über die Randfugen zu den Fenstern verdunstet. Suche mir einen Estrichrand wo ich eine Feuchtemessung über die Baustoffausgleichsfeuchte machen kann und … alles trocken.
Dann checke ich die Glasscheiben mit dem Feuerzeug, hier sind 2-Scheibenverglasungen mit augenscheinlich 2x Wärmeschutzfolien eingebaut worden. Der Randverbund ist fast völlig frei und damit ungedämmt. Beim Skizzieren des Hausgrundrisses fällt mir auf daß es genau nach den Haupthimmelsrichtungen ausgerichtet ist. Demnach die Morgensonne exakt im Osten die Glasfront bestrahlt. Da gibt es auch keine Kondenswasserprobleme. Und die westseitigen Fenster sind bis über mittag ohne Sonne, kühlen demnach stark ab, in Verbindung mit vielleicht unvorteilhafter Kombination von hohem Glaseinstand und Sonnenschutzfolie, dürfte das Problem zu finden sein. Die Sonnenstrahlung kommt kurzwellig daher und wird bei Auftreffen auf einen Gegenstand zu langwelliger Wärmestrahlung umgewandelt. Wenn dann aber die Glasscheiben mit Sonnenschutzfolie versehen werden wird auch das bisschen Nachmittagssonne teilweise zurückgestrahlt. Schwupps, und schon haben 50 Wohnungen Probleme …
Im April gibt es eine Hausversammlung, bin dazu eingeladen, es gilt ein Gutachten über die Glasscheiben zu schreiben. Da muss geprüft werden ob es tatsächlich Mängel an den Fenstern gibt. Ich glaube ich liege richtig, da hole ich mir die Daten zum Fenster und einen Glas-Sachverständigen…

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